Sonntag, 18. Januar 2004
Bildungsfinanzierung als zentrale Aufgabe von Bund und Ländern
Die Bildungsausgaben und speziell die Ausgaben für die Hochschulen
werden in fast allen Bundesländern massiv gekürzt. Folge ist, dass
Seminare und Vorlesungen hoffnungslos überfüllt sind, ganze Fachbereiche
und sogar Hochschulen zusammengelegt bzw. aufgelöst werden. Gleichzeitig
werden bei immer schlechteren Lernbedingungen "Langzeitstudiengebühren"
eingeführt, welche die soziale Auslese unter den Studierenden weiter
verschärfen werden und auch wirtschaftlich absolut sinnlos sind. Die
Legende der "Sozialschmarotzer" wird so, in die Diskurse der
Studierendenproteste integriert und verschweigt, dass bei
voranschreitender Entwicklung im Bildungsbereich in ein paar Jahren wohl
jedeR LangzeitstudentIn ist. Darüber hinaus wird durch die Einführung
von Langzeitstudiengebühren bereits heute die Infrastruktur geschaffen,
um in Bälde allgemeine Studiengebühren einzuführen und die
Privatisierung der Bildung voranzutreiben.

Kein Vorwand ist dabei momentan zu billig, um mittelfristige
Hochschulstrukturreformen durchzusetzen, die eine weitere Selektion im
Bildungswesen mit sich bringen. Viele Maßnahmen, die unter dem Etikett
der „Strukturreform“ (vgl. Bologna-Prozesses) an den Hochschulen
durchgesetzt werden, dienen allein Einsparungen und
Zugangsverknappungen. Wir fordern daher ein Umdenken in der Finanz- und
Bildungspolitik. Kürzungen und Stagnation im Bildungs- und Sozialbereich
verschärfen die soziale Ungleichheit und Ungerechtigkeit. Die Ziele
einer emanzipatorischen Gesellschaft und der Teilhabe aller an ihr und
ihrer Gestaltung werden so nicht erreicht.

Im Rahmen der Diskussion um die Kompetenzneuordnung zwischen Bund und
Ländern fordern wir ein deutliches Signal von Seiten des Bundes, sich im
gesamten Bundesgebiet für eine qualitativ hochwertige und gebührenfreie
Bildung einzusetzen.

Bildung als eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe

Wenn wir uns für eine qualitativ wie quantitativ gesicherte und sozial
gerechte Bildung einsetzen, dann handeln wir im gesamtgesellschaftlichen
Interesse. Ohne Bildung keine Zukunft. Wir lehnen einen Verteilungskampf
zwischen den verschiedenen Institutionen und Ebenen im Bildungsprozess
(z.B. Kindergärten versus Hochschulen) ab.
In diesem Zusammenhang fordern wir eine qualitative inhaltsorientierte
Studienreform ein. Dazu ist eine gesamtgesellschaftliche Debatte über
eine kritische Praxisorientierung des Studiums erforderlich.
Wissenschaftliche Qualifikation muss als Instrument gesellschaftlicher
Veränderung auch von Seiten der Studierenden wiederentdeckt werden.
Gleichzeitig wenden wir uns gegen die soziale Selektivität des
Bildungssystems. Eine qualitativ hochwertige Bildung, die
emanzipatorischen Ansprüchen genügt, muss allen Menschen offen stehen.
Offene und heimliche Zugangshürden müssen abgebaut, nicht neu errichtet
werden.

Nein zum Sozialabbau

Uns ist klar: Die Argumente der leeren Kassen werden auch gegen andere
soziale Gruppen wie beispielsweise RentnerInnen, ArbeiterInnen,
MigrantInnen, Behinderte, Arbeitslose, SozialhilfeempfängerInnen und
BeamtInnen angewandt. Wir wehren uns dagegen, diese sozialen Gruppen
gegeneinander oder auch gegen die Studierenden auszuspielen. Die
Bundesrepublik Deutschland ist als Volkswirtschaft heute so reich wie
nie zuvor. Daher muss es darum gehen, die Finanzierung von Bildung und
des Sozialstaates über eine Beteiligung der Unternehmen und der
Besserverdienenden sicherzustellen. Wir Studierenden solidarisieren uns
nachdrücklich mit den vom Sozialabbau der Agenda 2010 und anderen
Konzepten betroffenen Personengruppen und Protestierenden.

Forderungskatalog der Studierenden

Wir fordern die sofortige Nachbesserung des Thüringer Hochschulpaktes,
um der weiteren Verschlechterung der Qualität von Lehre und Forschung
entgegenzuwirken. Steigende Studierendenzahlen, Tariferhöhungen und
Inflation müssen bei der Mittelzuteilung berücksichtigt werden. Wir
fordern die Landesregierung auf, die Zielvorgaben der Bundesregierung
umzusetzen und mindestens 40% eines Jahrgangs eine Hochschulausbildung
zu ermöglichen. Darüber hinaus muss im Rahmen der sozialen Entwicklung
der Gesellschaft, die den Anspruch der Chancengerechtigkeit hat, der
Zugang zu Bildung für Menschen aus sozial schwächer gestellten
Verhältnissen gesichert sein. Unter den gegebenen gesellschaftlichen
Rahmenbedingungen fordern wir das Verbot jeglicher Art von
Studiengebühren. Wir fordern den selbstbestimmten Zugang zu Bildung.
JedeR Bachelor-AbsolventIn soll einen Rechtsanspruch auf den Zugang zum
Masterstudiengang haben. Wir fordern, Studiengänge nicht nach ihren
scheinbaren ökonomischen Nutzen zu beurteilen und wissenschafts- wie
gesellschaftskritisches Studieren zu ermöglichen anstatt Studierende zu
Konsumenten zu degradieren. Wir wehren uns gegen die vermeintliche
Profilbildung der Hochschulen des Landes, wenn sie zu Schließungen und
Vereinheitlichung von Standorten und Abbau von Vielfalt führt. Wir
fordern die fächerspezifische Mittelsicherung eines jeden
Studienplatzes, um eine qualitativ hochwertige Ausbildung zu
gewährleisten. Wir fordern die umfassende Demokratisierung der
Hochschule. Dies beinhaltet paritätische Mitbestimmungsregelungen im
Entscheidungsprozess für die betroffenen Gruppen.

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