Freitag, 9. Januar 2004
Offener Brief an die Thüringer Rektoren
jensw, 03:25h
Liebe Thüringer Rektoren,
haben Sie vielen Dank! Dank für Ihre Vorstellungskraft und Phantasie. Dank dafür, wie es einer nach dem anderen von Ihnen vollbringt, der Öffentlichkeit gegenüber den Traum der eigenen „Elite-Universität“ zu verkünden. Jena will es werden! Und Erfurt auch! Und sicher habe ich die Äußerungen der meisten anderen in der Tagespresse einfach übersehen.
Doch, bitte entschuldigen Sie: Sind es nicht eben auch Ihre Universitäten, in welchen Lehrveranstaltungen mit teilweise mehreren hundert Prozent Überlast an Studierenden stattfinden? In denen in Seminaren, die für 30 Studierende bestimmt sind und in welchen man mit einander ‚kommunizieren’ können soll, 200 oder 300 derselben sitzen? Sind es nicht vielleicht und gerade auch Ihre Universitäten, an denen Diplome schlicht ‚abgebrochen’ werden mussten, weil aufgrund universitären Finanzmangels das Lehrpersonal gen Arbeitslosigkeit entschwand? Und nicht zuletzt Ihre Universitäten, an welchen die Regelstudienzeit, nach deren Überschreiten Studierende nun durch so genannte „Langzeitstudiengebühren“ sanktioniert werden, immer mehr zu einer wohlgemeinten doch verleumderischen Farce verkommt?
Bei all diesen Hürden, die zwischen Ihren Träumen und der Realität stehen, beglückwünsche ich Sie von Herzen zu derart elitärer Phantasie. Als auch und vor allem dazu, dass Sie verstanden haben, wie man den Bildungsstandort Deutschland rettet und vor dem Interesse aller Studierenden nützt: Indem man, wenn die Rosinen an hunderte Hungriger verteilt werden, als erster seinen Mund aufreißt. Nicht natürlich, ohne ‚im Namen aller Hungerleidenden’, wie man behaupten wird, währenddessen alle anderen mit Ellenbogen und Knieschützern grün und blau zu prügeln und beiseite zu drängen. Ja, genau so etwas brauchen wir. Das bringt uns wirklich alle voran!
Ich möchte Sie jedoch im Namen der Weimarer Studierenden, die auch gerne, wenn auch anderes als Sie, zu träumen neigen, bitten, einen weiteren Weg zur Erfüllung Ihrer Wünsche und Sehnsüchte zu überdenken: Hören Sie auf, gegeneinander zu kämpfen und zu behaupten oder denken, Sie täten dies ‚für uns’. Hören Sie auf, miteinander zu streiten. Fahren Sie die Ellenbogen ein. Und ziehen Sie die Knieschützer aus.
Denn: Bereits jetzt träumen knapp 50.000 Thüringer Studierende wie Sie von ihrer ganz persönlichen Elite-Universität! Niemand jedoch wird zukünftig diese oder auch nur eine adäquate Hochschulbildung erhalten können, wenn Sie sich über Rosinen unterhalten, sich einbilden, diese wären uns zu etwas nütze - oder aber: Durch Ihr Tun mitverantworten, dass es, zu wessen vermeintlichen Vorteil auch immer, einer viel größeren Anzahl Rektoren, MitarbeiterInnen und Studierenden noch schlechter als bisher ergeht.
Wissen Sie: Wie Sie träumen auch wir hier in Weimar wirklich sehr gern. Scheinbar jedoch sind wir viel träumerischer als Sie. Träumen wir doch von einer für jeden zugänglichen und qualitativ hochwertigen Lehre für jedermann – sowie Rektoren, die von mehr Träumen als ‚Ich’ und ‚Hier’.
Mit freundlichen Grüssen
Ihr Elite-Referent für Hochschulpolitik des Elite-Studierendenkonvents der Leider-noch-nicht-Elite-BUW Jens Wernicke
haben Sie vielen Dank! Dank für Ihre Vorstellungskraft und Phantasie. Dank dafür, wie es einer nach dem anderen von Ihnen vollbringt, der Öffentlichkeit gegenüber den Traum der eigenen „Elite-Universität“ zu verkünden. Jena will es werden! Und Erfurt auch! Und sicher habe ich die Äußerungen der meisten anderen in der Tagespresse einfach übersehen.
Doch, bitte entschuldigen Sie: Sind es nicht eben auch Ihre Universitäten, in welchen Lehrveranstaltungen mit teilweise mehreren hundert Prozent Überlast an Studierenden stattfinden? In denen in Seminaren, die für 30 Studierende bestimmt sind und in welchen man mit einander ‚kommunizieren’ können soll, 200 oder 300 derselben sitzen? Sind es nicht vielleicht und gerade auch Ihre Universitäten, an denen Diplome schlicht ‚abgebrochen’ werden mussten, weil aufgrund universitären Finanzmangels das Lehrpersonal gen Arbeitslosigkeit entschwand? Und nicht zuletzt Ihre Universitäten, an welchen die Regelstudienzeit, nach deren Überschreiten Studierende nun durch so genannte „Langzeitstudiengebühren“ sanktioniert werden, immer mehr zu einer wohlgemeinten doch verleumderischen Farce verkommt?
Bei all diesen Hürden, die zwischen Ihren Träumen und der Realität stehen, beglückwünsche ich Sie von Herzen zu derart elitärer Phantasie. Als auch und vor allem dazu, dass Sie verstanden haben, wie man den Bildungsstandort Deutschland rettet und vor dem Interesse aller Studierenden nützt: Indem man, wenn die Rosinen an hunderte Hungriger verteilt werden, als erster seinen Mund aufreißt. Nicht natürlich, ohne ‚im Namen aller Hungerleidenden’, wie man behaupten wird, währenddessen alle anderen mit Ellenbogen und Knieschützern grün und blau zu prügeln und beiseite zu drängen. Ja, genau so etwas brauchen wir. Das bringt uns wirklich alle voran!
Ich möchte Sie jedoch im Namen der Weimarer Studierenden, die auch gerne, wenn auch anderes als Sie, zu träumen neigen, bitten, einen weiteren Weg zur Erfüllung Ihrer Wünsche und Sehnsüchte zu überdenken: Hören Sie auf, gegeneinander zu kämpfen und zu behaupten oder denken, Sie täten dies ‚für uns’. Hören Sie auf, miteinander zu streiten. Fahren Sie die Ellenbogen ein. Und ziehen Sie die Knieschützer aus.
Denn: Bereits jetzt träumen knapp 50.000 Thüringer Studierende wie Sie von ihrer ganz persönlichen Elite-Universität! Niemand jedoch wird zukünftig diese oder auch nur eine adäquate Hochschulbildung erhalten können, wenn Sie sich über Rosinen unterhalten, sich einbilden, diese wären uns zu etwas nütze - oder aber: Durch Ihr Tun mitverantworten, dass es, zu wessen vermeintlichen Vorteil auch immer, einer viel größeren Anzahl Rektoren, MitarbeiterInnen und Studierenden noch schlechter als bisher ergeht.
Wissen Sie: Wie Sie träumen auch wir hier in Weimar wirklich sehr gern. Scheinbar jedoch sind wir viel träumerischer als Sie. Träumen wir doch von einer für jeden zugänglichen und qualitativ hochwertigen Lehre für jedermann – sowie Rektoren, die von mehr Träumen als ‚Ich’ und ‚Hier’.
Mit freundlichen Grüssen
Ihr Elite-Referent für Hochschulpolitik des Elite-Studierendenkonvents der Leider-noch-nicht-Elite-BUW Jens Wernicke
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