Sonntag, 21. Dezember 2003
Meinung von Mitarbeiter
Prinzipiell habe ich großes Verständnis für die Lage und für
die meisten Argumente der Studenten. Ich möchte Sie aber in erster
Linie darauf aufmerksam machen, dass Ihr Streik nur dann etwas
bringen kann, wenn Sie in der Öffentlichkeit und bei den Diskussions-
partnern, die Sie erreichen wollen (das Land Thüringen, der Bund), auf
Verständnis stoßen.

Sie müssen dazu unbedingt darauf achten, dass Ihr Anliegen klar
und deutlich "rüberkommt". Suchen Sie den Dialog, versuchen Sie
mit den Leuten zu reden und sie von Ihren Argumenten zu überzeugen.
Wenn Sie Diskussionen erreichen wollen und erreichen, dann müssen
Ihre Argumente auf den Inhalt fokusiert sein und sollten nicht
von Nebensächlichkeiten zu entkräften sein. D.h.: Sie dürfen
sich in Ihrer Argumentation nicht wegen formaler Dinge angreifbar
machen, sondern jegliche Diskussion muß sich um die wesentlichen
inhaltlichen Punkte entwickeln.

Ein Beispiel:
Sie schreiben: "Die Uni-Weimar befindet sich im Streik ..."
Das ist nicht richtig, sondern die Studenten der Uni befinden sich
im Streik. Die Mitarbeiter und die Professoren streiken nicht. Auch nicht
die Hausmeister, das Mensapersonal, die technischen Angestellten usw. Das
ist ein sehr wesentlicher Punkt.
1.) Sie, die Studenten, haben die Initiative. Das muss auch klar werden.
Der Streik ist nicht von der Uni-Leitung verordnet oder so, sondern
SIE wollen auf bestimmte Dinge aufmerksam machen.
2.) Ihre Aussage ist schlicht falsch und damit angreifbar. Sie machen sich
angreifbar an einer Stelle, an der Sie die Diskussion gar nicht wollen.
Sie wollen doch wohl nicht darüber streiten, ob die Mitarbeiter nun im
Streik sind oder nicht, sondern Sie wollen mit Ihrem Streik ganz andere
Inhalte in den Mittelpunkt des Interesses stellen. Vermeiden Sie es,
durch den schlichten Hinweis "Ihre Aussage ist falsch" (von Landes-
vertretern oder Pressevertretern oder auch Uni-intern) den Fokus
auf Ihre Inhalte zu verlieren.

Ein anderes Beispiel, aus dem gleichen Text (Ihrer email):
"Seit Mittwoch letzter Woche finden offiziell keine Lehrveranstaltungen
mehr statt."
Falsch! Die Lehrveranstaltungen finden "offiziell" sehr wohl statt. Wir
haben sogar die explizite Anweisung erhalten, die Veranstaltungen auf
jeden Fall weiterhin anzubieten und durchzuführen, sobald mehr als
drei Studenten anwesend sind. Wir haben allerdings auch den Hinweis
bekommen, möglichst verständnisvoll und entgegenkommend zu sein.
LVs finden nur dann nicht statt, wenn Sie aktiv bestreikt werden.
Dazu gibt es zwei Möglichkeiten:
1.) es sind viele Studenten anwesen, Sie
verhindern aber den Lehrbetrieb (Türen verschliessen, Verhindern
eines Lehrbetriebs durch Lärm, was auch immer).
2.) Nur drei oder weniger Studenten sind da. Aber dann "darf" der Lehrende
immernoch lehren. Er muss nicht mehr, aber er darf. Also auch wenn nur
ein Student da ist, kann die LV noch stattfinden.

Aber darüber wollen Sie ja gar nicht diskutieren. Sie wollen doch nur
sagen, dass bedingt durch Aktionen der Studenten einzelne Lehrveranstaltungen
nicht stattfinden konnten. Sie können nicht mal von "keine LV mehr" oder
von "alle haben nicht stattgefunden" reden. Das stimmt nämlich nicht.
Aber es ist auch nicht wichtig, ob "alle LVs" bestreikt wurden, es ist
nur wichtig, dass prinzipiell versucht wird, den Lehrbetrieb zu
bestreiken und dass die Studenten in der Lage sind, einzelne LVs
zu unterbinden. Wenn Sie wirlich alle LVs unterbinden wollen, müssen
Sie Ihre Anstrengungen noch gewaltig steigern. Bedenken Sie bei solchen
absoluten Positionen immer, dass es auch Studenten gibt, denen der
Streik völlig egal ist (aus den verschiedensten Gründen). Wenn ein
Landesvertreter ein paar Studenten findet, die zu Recht behaupten können,
dass Ihre Aussagen gar nicht stimmen, dann können Sie Ihren Streik
gleich vergessen. Schwächen Sie die Härte Ihrer Aussagen ab ohne den
wesentlichen Gehalt zu schwächen: "Lehrveranstaltungen finden nicht statt"
oder "LVs werden bestreikt" oder "die Durchführung von Lehrveranstaltungen
wird verhindert" ist doch genauso gut wie "offiziell finden keine LVs statt".
Es ist ausserdem richtig.

Treffen Sie nur Aussagen, die auch stimmen! Machen Sie keine formalen
Fehler! Das haben Sie gar nicht nötig. Mit der Wahrheit können Sie
Ihre Botschaften ausreichend gut transportieren. Meine Beispiele sollen
übrigens keine Kritik an Ihrer email sein, ich benutze sie nur zur
Verdeutlichung meines Hinweises.

Noch ein Hinweis:
die meisten Ihrer Punkte auf dem Plakat
"Ich streike weil ..."
sind gut, zumindest diskussionswürdig.
Aber der Punkt
"... weil ich weiß, dass genug Geld da ist"
ist in der heutigen Zeit so nicht haltbar. Jeder Politiker erzählt
dem Volk von den allgemeinen Sparzwängen, von leeren Kassen usw.
Jeder Firmenboss erzählt von Entlassungen und Verlagerungen ins
Ausland, weil kein Geld da ist. Jede Stadtkasse ist leer,
jedes Bundesland macht Schulden und der Bund erst recht.
In beinahe jeder Familie muss gespart werden und ich bin
sicher, dass die meisten Studenten auch nicht "aus dem Vollen
schöpfen". Es ist nicht "genug Geld da". Das weiss nun wirklich
jeder.
Was Sie meinen ist, dass für Bildung immer genug Geld da sein sollte.
Oder dass man an anderen Stellen sparen soll als an den Unis. Das
sagen Sie aber nicht.

Letzter Hinweis:
Passen Sie auf, dass Ihr Streik in der Öffentlichkeit nicht als
"kein Bock auf Uni" rüberkommt. Wir haben bald Weihnachten, viele
Menschen werden denken, dass die Studenten nur eine Woche eher
nach Hause wollen. In manchen Fällen stimmt das ja auch.
Wie ich schon oben sagte: Sie haben die Initiative. Das ist
gut, das bringt Vorteile. Das bringt aber auch Nachteile:
die Verpflichtung die Initiative zu nutzen, aktiv zu sein,
sichtbar zu sein.

Ach ja, machen Sie sich bitte 100%-ig klar, gegen wen und für was
Sie eigentlich streiken. Daraus können Sie prima ableiten, welche
Aktionen Sinn machen und welche nicht. Meiner Meinung nach müssen
Sie nicht nur in Weimar, sondern auch in Erfurt und in Berlin
Aufmerksamkeit bekommen.

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Aktion: „bau.häuser.für.kinder“
Am Frauenplan wurden am Mittwoch von Studenten der Bauhaus - Uni Häuser für Kita-Kinder gebaut. Die kleinen Zukunftsträger haben sie bunt bemalt, als Krabbelburgen genutzt und fleißig mit gebastelt.
Dabei haben Eltern, Erzieher und StudentInnen gemeinsam über die Zukunft der Kleinsten nachgedacht. Denn was wir heute sähen, werden diese Kinder morgen ernten. Eltern und Erzieher zeigten sich solidarisch mit den Studierenden und unterstützen den „Ausstand der Lehre“, um auf die schlechte Hochschulpolitik seitens der Landesregierung aufmerksam zu machen und neue Visionen zu verwirklichen.

» Fotos

Doreen AK_Öffentlichkeit

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