Mittwoch, 17. Dezember 2003
Überregionale Pressestimmen zu den bundesweiten Protesten und zur Bildungssituation
Situation der Hochschulen

Den „Kahlschlag“ als Chance verkauft
(Martin Thurau am 8.12.2003 in der SZ)
Eine zentrale Forderung der Hochschulchefs im SZ-Forum zur Bildungspolitik: „Nur wenn sie mehr Gestaltungsfreiheit und mehr Planungssicherheit bekämen, lasse sich der von der Politik geforderte Sparkurs und Umbaukurs bewältigen ... Der Staat müsse aufhören die Hochschulen wie „nachgeordnete Behörden“ zu behandeln.“

Die Studenten verzichten aufs Mitreden / Aus Protesten gegen das Sparen wird keine Bildungspolitik
(Mechthild Küpper 13.12.2003 in der FAZ über Berlin)
Die drei Berliner Universitäten werden neu geplant und müssen ihre Angebote genau aufeinander abstimmen.
„ ...bietet der Senat den Hochschulen bis 2009 laufende Verträge. Das Geschäft heißt: ungewöhnlich lange Planungssicherheit gegen abermals viel - zu sparendes - Geld. (...) Sie können selbst über ihre eigenen Angelegenheiten befinden, sie sind autonom wie nie, aber auch arm wie lange nicht mehr.“


Auswirkung des Sparkurses / Studiengebühren
(Christine Burscheidt am 8.12. in der Süddeutschen Zeitung)
„Durch die Einsparungen ... verschlechtert sich den Rektoren zufolge die Ausstattung erheblich, was nicht nur Folgen für die Lehre, sondern auch für die Wissenschaft habe. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft etwa achtet bei der Vergabe von Zuschüssen genau darauf, wie gut es um die Ausstattung der Hochschule steht.“


Wissen und Gesellschaft


Studiengebühren lenken vom Problem ab
(Georg Fülberth, Prof. für Politikwissenschaft in Marburg am 12.12.2003 in der FR)
Subventionierung durch Nichtakademiker träfe nur diejenigen, die ohne Universitätsbesuch auf die höheren Ränge gelangten. Das sind nicht sehr viele. Einige von ihnen haben dennoch Vorteile von der Wissensgesellschaft: nämlich von den Kenntnissen akademisch ausgebildeten Personals. Oder sie benutzen auf andere Art Know-how, das an Universitäten erzeugt wurde.“

Studentische Einsichten
(Richard Meng am 13.12.2003 in der FR)
Eine tiefgreifende Studienreform gab es nie. Auch die neue Reformwelle mit Bachelor- und Masterstudiengängen kommt mehr technisch als inhaltlich daher, versucht zu Hochschuleinstieg ein neues Sparstudium für alle durchzusetzen und weicht dem Anspruch wissenschaftlicher Bildung jenseits beruflicher Verwertung aus.“


Leipzig-Demonstration im Licht der Presse
13.12.2003

„Reiche Eltern für alle“
(Sven Heitkamp am 15.12.2003 in der WELT)
Mehr als 15.000 Studenten aus Sachsen, Thüringen, Sachsen-Anhalt und Bayern versammeln sich um unter dem Motto „Ihr nehmt uns unsere Zukunft“ gegen Bildungsabbau und Sozialkürzungen zu demonstrieren. Mit einem Sonderzug aus Erfurt sind 3000 Thüringer Kommilitonen nach Leipzig angereist. Die 15 Doppelstockwaggons bilden den längsten Sonderzug in der Geschichte der Deutschen Bahn ... Nun füllen die Studenten aus Leipzig, Dresden und Chemnitz, aus Halle, Magdeburg und Bamberg, aus Erfurt, Weimar und Jena die „Nordkurve des Innenstadtrings, um mit Transparenten und Trillerpfeifen ihren Frust über die Sparpolitik von Bund und Ländern Luft zu machen.“

Symbolisch die Bildungsbremse ziehen
(TLZ am 15.12.2003)
„Bundesweit hatten sich Deutschlands Studenten mit einem bundesweiten Aktionstag gegen Eingriffe der Politik in das Bildungswesen gewehrt. Zehntausende forderten am Samstag bei Veranstaltungen in Leipzig und Frankfurt den Verzicht auf Studiengebühren und die in vielen Bundesländern geplanten Kürzungen des Bildungsetats. Zu den Protestaktionen in Berlin waren nach Polizeiangaben 30.000 Menschen gekommen. In Leipzig gingen nach Angaben der Polizei 15.000 Menschen auf die Straße - darunter viele Thüringer, die mit der Bahn angereist waren.“

Studenten demonstrieren
(Frankfurter Rundschau am 15.12.2003)
„Im Protest gegen Bildungs- und Sozialabbau sind am Samstag in Berlin, Leipzig und Frankfurt am Main mindestens 50.000 Studierende auf dien Straße gegangen. Die Proteste richteten sich gegen Einsparungen in den Hochschuletats, gegen überfüllte Hörsäle und die in einigen Ländern geplante Einführung von Studiengebühren ... In Leipzig protestierten laut Polizei rund 15.000 Studenten aus Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen und Nordbayern unter dem Motto „Ihr nehmt uns unsere Zukunft!“, laut Veranstalter waren es 20.0000 ...“


Beurteilung der Proteste

Ruhe unterm Weihnachtsbaum / Morgen demonstrieren bundesweit Studenten gegen Bildungsabbau. Retten sie den Protest ins neue Jahr hinüber?
(Ralph Bollmann am 12.12.2003 in der TAZ)
„Geht es aber erstmal um ganz konkrete Politik, ist es mit der Einigkeit schnell vorbei. Studiengebühren - ja oder nein? Braucht das Land mehr Genforscher - oder sind Soziologen für die Zukunft wichtiger? Über solche Fragen sind sich auch Studenten alles andere als einig. Doch gerade damit müssen sie sich ernsthaft auseinandersetzen. Sonst ist auch dieser Protest spätestens im Januar vergessen.“

Die Kamera liebt dich
(Jan-Hendrik Wulf am 12.12.2003 in der TAZ)
Der Studentenstreik lebt von seiner medialen Selbstinszenierung. Das inhaltlich anliegen der Streikenden tritt gegenüber den durchaus fantasievoll inszenierten emotionalen Bildern in den Hintergrund, die Form überwuchert die Inhalte und auch den inhaltlichen Dissens unter den Studierenden. „Das ist schade, denn durch ihre Aktionen haben die Studierenden öffentliche Aufmerksamkeit und eine enorme Sympathie erreicht. Ein Problem wird das, wenn nicht einmal die Akteure wissen, wofür genau.“



Die Studenten verzichten aufs Mitreden / Aus Protesten gegen das Sparen wird keine Bildungspolitik
(Mechthild Küpper 13.12.2003 in der FAZ über Berlin)
„Weil der Studentische Protest aber in Bausch und Bogen gegen jedes Sparen in allen Bildungseinrichtungen gerichtet ist, wird er es schwer haben, als ernster Akteur auf die Bühne der Hochschulpolitik zu gelangen. Die leutseligen Zusprüche von Politikern sollten die Studenten stutzig machen; sie werden allenfalls als Kulissenschieber wahrgenommen, die ein bißchen Dampf von der Straße her erzeugen. Ihre Detailkenntnis -Wissen könnte Macht sein - nutzen Sie nicht, um bei der Planung zukünftiger Studienangebote mitzureden.“

Studentische Einsichten
(Richard Meng am 13.12.2003 in der Frankfurter Rundschau)
„Auch die Protestgeneration 2003 wird letztendlich erst daran zu messen sein, wohin ihre eigene Politisierung führt. Die meisten werden wie immer resignieren. Aber viele werden ein politisches Grundgefühl mitnehmen, wofür es zu streiten lohnt. Sie sollten gelernt haben, dass frühzeitige politische Einmischung notwendig ist, damit der Unmut Betroffener sein Ziel nicht verfehlt.“

Die Studentenbewegung ist nicht vom Himmel gefallen - selten gab es so wenig Geld für so viele Studenten
Interview mit Torsten Boltmann (Bundesgeschäftsführer des Bundes demokratischer Wissenschaftler) am 13.12.2003 in der TAZ)
„Wenn die Politik Bildung so wichtig nimmt, wie sie immer sagt, gibt es selbstverständlich Perspektiven. De Spielraum für eine andere Bildungsfinanzierung steckt im gesamten Sozialprodukt - und wird nicht von akuten Schwierigkeiten der Finanzminister diktiert. Das erste Ergebnis des Streiks gibt es schon: eine neue gesellschaftliche Debatte, was Bildung wirklich wert sein muß.“

Ein Herz für Studenten
(Konrad Adam am 15.12.2003 in der WELT)
Vergleicht man die Forderungen der heute Streikenden mit denen der 68er, dann sind sie ausgesprochen sie ausgesprochen maßvoll und überwiegend vernünftig.

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